Im Anfang war der Titel - Osburg Verlag Blog 01

Im Anfang war ... der Titel

10.07.2024
von Andreas Hillger (Autor)

 

Im Anfang war … der Titel. 
So muss das sein, so habe ich das in meinem früheren Leben bei einem Redakteur gelernt, der immer von oben begann und sich dann über Unter- und Autorenzeile bis zum letzten Satz vorarbeitete. 

 

Mein Einwand, dass ich so weder denken noch schreiben könne, wurde mit nachsichtigem Lächeln weggewischt: Man muss doch wissen, was man sagen will! Und so hielt ich bei Texten „zu vier Händen“ mühsam die Spur, damit sich das Geschriebene während der allmählichen Verfertigung der Gedanken nicht allzu weit von der vorgegebenen Marschrichtung entfernte.

Inzwischen bestehe ich darauf, dass auch Titel sich ändern können, wenn die Figuren leben lernen und ihre eigenen Wege gehen. So wurde aus Kolberg im Laufe der Zeit Totale – zum Leidwesen meines Verlegers, der aus verständlichen Gründen lieber den direkten Verweis auf Veit Harlans Film gesehen hätte. 

Aber der Doppelsinn zwischen einer Kamera-Einstellung und einer Goebbels-Rede drängte sich immer stärker auf, der Ortsname wurde auf einem verschmorten Zelluloid-Streifen in die zweite Ebene verschoben. Und nun muss das eine, andere Wort für das Ganze stehen. Es macht seine Sache ganz gut, finde ich. Auch wenn es nicht am Anfang war, sondern eher ein Ende beschreibt.


Im Anfang war der Titel - Osburg Verlag Blog 02

von Wolf Osburg (Verlagsinhaber)

 

Ich habe eine sehr hohe Meinung von der Leistung der Autorinnen und Autoren. Einen Packen weißen Papiers zu füllen, das kann nicht jeder, und es ist eine große Leistung. Daraus resultiert, dass wir ganz eng mit den Autor*innen zusammenarbeiten, wenn es um die Finalisierung und Herstellung ihres Werkes geht. 

 

Auf der einen Seite steht ihre schöpferische Autonomie, die wir anerkennen, auf der anderen Seite aber auch unsere Erfahrung als diejenigen, die das Buch verkaufen und an den Leser und die Leserin bringen wollen. Das führt häufig zu einem intensiven Dialog, bei dem es durchaus hin- und hergehen kann. Darauf spielt Andreas Hillger in seinem Beitrag an. 

 

Ja, tatsächlich bevorzugten wir zunächst den Buchtitel Kolberg, denn so hieß nun einmal der Durchhaltefilm der Nazis. Die verlegerische Haltung ist häufig, einen Buchtitel zu finden, der „nicht um den heißen Brei herumredet“, sondern einen klaren Kaufimpuls setzen kann. Andreas Hillger konnte sich aber darauf berufen, dass ein Roman, und um den handelt es sich ja hier, nicht gleich im Titel abbilden muss, um was es geht anders als ein Sachbuch. Der Roman kann fiktive Bezüge verwenden, ja sollte es. Daher sind wir sehr schnell und gerne auf die Idee von Andreas Hillger umgeschwenkt. 

 

Das Buch heißt seitdem Totale und Kolberg findet sich im Übrigen trotzdem noch auf der angekokelten Filmrolle auf dem Buchcover. Ein schöner, hoffentlich kluger Kompromiss.


Hillger_Totale

 

 

Andreas Hillger, Jahrgang 1967, arbeitete als Regieassistent, Transportarbeiter, Buchhändler und Journalist, ehe er sich als Dramaturg und Autor selbstständig machte. Neben diversen Musicals und Theaterstücken hat er die Libretti für mehrere Oratorien verfasst. Im Osburg Verlag sind seine Romane gläserne zeit, Ortolan und Ei_Land erschienen. Zuletzt entwickelte er Escape-Rooms für das Lutherhaus Wittenberg und eine Augmented-Reality-App.